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Entdecke das Krokodil in Dir!

 

"Was würde Ihnen denn jetzt in diesem Moment gut tun?"

 

Diese Frage hat bestimmt jeder Mensch, der aufgrund einer psychischen Störungen behandelt wird, schon mal von seinem Arzt oder seiner Therapeutin gehört. Als ich das erste Mal mit dieser Frage konfrontiert wurde, war ich völlig überrascht. Ich steckte gerade mitten in meinem ersten Erschöpfungssyndrom mit schweren Angst- und Panikattacken und hob nur verwundert die Augenbrauen: "Häh?!? Was will er/sie von mir? Verflixt, ich kämpfe gegen Angst- und Panikattacken und habe anhaltende Rückenschmerzen. Ich will, dass das jemand einfach abstellt. Das täte mir jetzt gut!"

  

Vielleicht kennt ihr eine ähnliche Reaktion oder wisst manchmal nicht so recht, was euch in schwierigen Momenten gut tun würde. Gerade Menschen, die unter Angststörungen, chronischen Schmerzen oder auch depressiven Störungen leiden, wissen meist nicht mehr, was sie wollen oder was ihnen hilft. Durch die Erkrankung und bereits während sich die Krankheit entwickelt hat, haben sie die Verbindung zu ihrer Intuition, ihrem Bauchgefühl verloren.

 

Grundsätzlich haben wir Menschen eine ziemlich gute Intuition. Jeder kennt vermutlich dieses besondere "Bauchgefühl" bei anstehenden Entscheidungen. Oder eine blitzschnelle, innerliche Reaktion auf eine Situation. Dieses innere Gefühl - oder die Intuition - signalisiert uns sehr klar, ob wir eine Situation mögen oder nicht oder wie wir uns entscheiden sollen. Und diese Fähigkeit verdanken wir unserem "inneren Krokodil"... 

Was ist damit gemeint?

Der Mensch verfügt in seinem Hirnstamm, dem entwicklungsgeschichtlich ältestenTeil unseres Gehirns, über Regionen, die den Hirnstrukturen von Krokodilen und Echsen gleichen - das sogenannte Reptiliengehirn. Diese Regionen sind für Emotionen, Intuition, Überleben und Genuss zuständig. So sorgt zum Beispiel der Hirnstamm auch in gefährlichen Situationen dafür, dass unser Körper blitzschnell - ohne nachzudenken - auf Kampf oder Flucht vorbereitet ist. Noch bevor wir eine Situation überhaupt bewusst als gefährlich wahrgenommen haben, hat uns dass Reptiliengehirn schon in Alarm versetzt. Wer Interessse hat, kann den genauen Ablauf hier nachlesen. 

Früher - und auch heute noch - sicherte diese unbewusste Reaktion meist das Überleben. Es bedarf anderer Hirnregionen, um uns die Gefahr bewusst werden zu lassen. Diese Hirnareale, die das analytische Denken und kluge Abwägen steuern, entwickelten sich erst später und machen den Menschen (und zum Teil auch Säugetiere) generell aus.

Da wir als Menschen zurecht stolz darauf sind, dass wir über diese Fähigkeiten verfügen, neigen wir vor lauter Analysieren und Abwägen oft dazu, unser Gespür oder unseren Instinkt, unser Bauchgefühl oder wie immer wir es nennen, zu überhören. Wir nehmen dieses Gefühl nicht mehr wahr. Das mag vielleicht der Erziehung oder den gesellschaftlichen Gepflogenheiten geschuldet sein. Über Gefühle zu sprechen, fällt uns meist sehr schwer, weil es sich nicht gehört oder einfach zu intim ist. Und über was ich nicht reden möchte, das kann ich vielleicht nach einer gewissen Zeit gar nicht mehr richtig benennen und nehme es irgendwann auch nicht mehr wahr. Die Anforderungen der Berufswelt erledigen dann den Rest: Dem Chef eine Entscheidung nur mit dem Bauchgefühle zu begründen, würde dieser vermutlich sehr merkwürdig finden. Wie so oft liegt der Weg in der goldenen Mitte.

 

An dieser Stelle muss ich an meine ersten Therapiesitzungen denken, in denen meine Therapeutin darum bemüht war, meinen Wortschatz zu erweitern: Ich hatte wenige Adjektive für meine Emotionen oder meinen Gemütszustand zur Verfügung, obwohl ich Jahre im Marketing gearbeitet habe. Emotional wirkende Adjektive und Emotionen auslösende Sprache waren mir eigentlich vertraut. Jedesmal, wenn sie mich fragte, wie es mir heute ginge und ich nur mit "gut" oder "schlecht" antwortete, bat sie mich dieses "gut" oder "schlecht" näher zu beschreiben: War ich glücklich, fröhlich, zufrieden, beschwingt, gelöst, heiter, entspannt, ausgeruht, schmerzfrei. Oder war ich angespannt, schlecht gelaunt, bedrückt, ängstlich, einsam, wütend, verzweifelt, verletzt, schmerzgeplagt. Es stellte sich im Laufe der Sitzungen heraus, dass meine Angst- oder Panikattacken in vielen Fällen ein Ausdruck von Wut waren. 

 

Wut ist eines dieser "no go"-Gefühle, über die nicht gerne gesprochen wird. Wut gehört sich nicht. Und bei einem Mädchen schon gar nicht. Dabei dürfen Menschen - ob Mann oder Frau - wütend sein, wenn sie ungerecht behandelt oder verletzt werden. Das Gefühl der Wut zu empfinden, ist absolut legitim und auch wichtig! Wir sollten allerding unser Handeln nicht davon bestimmen lassen! Dafür haben wir unseren Verstand, der das Gefühl der Wut einordnen und damit abmildern kann. Innerlich sollte sie uns auf jeden Fall bewusst sein. Unterdrückte Wut beispielsweise, die als solche nicht mehr erkannt und benannt werden kann, kann sonst - wie in meinem Fall - zu einer Angststörung oder chronischen Schmerzstörung führen. Ich war zunächst empört, als mich meine Therapeutin mit dieser These konfrontierte. Ich wollte doch die buddhistisch Ausgeglichene sein, die solch üblen Gefühle gar nicht kennt oder durch ihre Gefühle und Bedürfnisse andere womöglich einschränkt oder verletzt. Sie waren aber da und konnten sich nicht mehr anders Gehör verschaffen, als durch Schmerzen und Panik. Um beim Bild des "inneren Krokodils" zu bleiben: Hier hat das "innere Krokodil" mächtig zugeschnappt... Das "innere Krokodil" öfter zu befragen, kann also helfen, bessere Entscheidungen für sich selbst zu treffen.  

Befrage das "innere Krokodil"

Wie können wir das "innere Krokodil" aber ansteuern? Das ist im Prinzip nicht schwer: 

 

Mag ich diese Entspannungsübung?
Ist das Jobangebot reizvoll?
Will ich überhaupt diesen Text lesen?

Alle möglichen Fragen, die wir uns im Laufe eines Tages stellt, lösen auch ein allererstes Gefühl aus. Oft steckt hinter der ersten, blitzschnellen Idee oder Meinung, die man zu Fragen hat, das innere Krokodil. Der erste ehrliche Hop-oder-Top-Moment, bevor man beginnt abzuwägen. Vielleicht kennt ihr es auch, dass ihr im Nachgang zu einer Entscheidung gedacht habt, hätte ich doch besser auf mein Bauchgefühl gehört. Diesen blitzschnellen, intuitiven Moment könnt ihr mit etwas Übung und Aufmerksamkeit wieder bewusster - und damit auch eure Bedürfnisse besser - erkennen. Um diese vielleicht zunächst diffuse Gefühl dann auch ausdrücken oder benennen zu können, hilft euch möglicherweise das, was mir geholfen hat: Den Wortschatz in puncto Adjektive auffrischen, die Gefühle und Gemütszustände beschreiben. Einige habe ich in diesem Beitrag bereits weiter oben erwähnt. Probiert es aus!