Bei der Behandlung von Angst- und Panikstörungen oder Depressionen hat sich, laut vieler wissenschaftlicher Studien, die Psychotherapie bewährt.
Wer sich heute psychotherapeutische Hilfe sucht, muss auch nicht mehr mit so gravierenden gesellschaftlichen Vorbehalten befürchten, wie es sie noch vor Jahren wahr. Gänzlich entstigmatisiert ist die Psychotherapie aber immer noch nicht.
Daher eines vorweg: Wer psychotherapeutische Unterstützung benötigt, leidet! Und wer es schafft, sich in diesem Leiden Hilfe zu suchen und sich seinen Problemen zu stellen, ist außergewöhnlich stark! Denn wer mag sich schon freiwillig - und dazu sehr intensiv - mit den Dingen beschäftigen, die ihm oder ihr unangenehm sind? Unser natürlicher Reflex ist ein anderer.
Ein Beispiel: Empfinde ich Unbehagen in engen Räumen, werde ich diese eher meiden und nehme die Treppe statt des schmalen Aufzugs. Oder anders gesagt: Wenn ihr eine Abneigung gegen Chili habt, werdet ihr nicht freiwillig in eine Chilischote beissen... Solange ich eine Alternative oder Ausweichmöglichkeit habe, stelle ich mich dem Problem nicht (wobei Chili kein Problem darstellt :-)) Wer sich in psychotherapeutische Behandlung begibt, hat in der Regel erkannt, dass es für ihn oder sie keine Alternative oder Ausweichmöglichkeit mehr gibt und er/sie sich dem Problem - welches es auch immer sein mag - stellen muss.
Der bekannte Vergleich verdeutlicht es immer noch am besten: Wer ein gebrochenes Bein hat, geht zum Facharzt und lässt es behandeln. Wer eine verletzte Seele hat, darf auch zu einem Facharzt gehen und sich helfen lassen.
Dennoch glaubte ich damals Gedanken wie "Ah, die hat ihr Leben nicht im Griff!" oder "Oh, weh! Der Seelenklempner macht dich doch erst richtig krank!" oder "Jetzt hat sie wirklich einen Schuss!" bei dem ein oder anderen in meinem Umfeld zu "hören", als ich von meiner Therapie berichtete. Mir selbst war es anfangs peinlich und unangenehm zuzugeben, dass ich zweimal die Woche zur Psychotherapie ging. Nicht, weil es gesellschaftlich in Deutschland immer noch nicht so akzeptiert ist wie in anderen Ländern, in denen ein Therapeut fast zum Leben dazu gehört. Sondern vielmehr, weil es so gar nicht meinem Selbstbild - und teilweise meiner Lebenserfahrung - entsprach, immer alles alleine zu bewältigen und durchstehen zu müssen. Ich dachte von mir selbst: "Jetzt bist du wirklich schwach und hilflos!" Und das meinte ich nicht als bloße Feststellung, denn ich war in der Zeit tatsächlich schwach und hilflos. Sondern ich fühlte mich als Versagerin.
Schaue ich auf den Verlauf meiner Erkrankung, so hätte ich liebend gerne auf die Antidepressiva samt ihrer Nebenwirkungen, aber auf keinen Fall auf die Psychotherapie verzichtet. Denn Fakt ist: Psychotherapie hilft.
In Großbritannien wurden beispielsweise aufgrund umfassender Untersuchungen zur Wirksamkeit von Antidepressiva die Behandlungsleitlinien für leichte und mittelschwere Formen der Depression geändert: Zuerst muss mit Psychotherapie behandelt werden, bevor Antidepressiva verordnet werden dürfen. Aus diesem Grund hat die britische Regierung mehr als 6.000 psychologische Gesundheitstherapeuten ausgebildet. Auch in den deutschen Behandlungsleitlinien ist die Rede davon, dass Antidepressiva bei rund zwei Drittel der Patienten wirken. Bei etwa jedem Zweiten, der auf die Medikamente anspricht, führt es aber nur zu einer teilweisen Verbesserung. Ärzte und Patienten sollten daher andere Behandlungsverfahren wie die Psychotherapie ebenfalls erwägen.
Welche Form der Psychotherapie?
Es gibt keine objektiven, allgemeinen Entscheidungskriterien, die bei der Wahl des Therapieverfahrens hilfreich sein könnten. Vielmehr hängt es von der Art und Schwere der Erkrankung ab und ob der Therapeut auf diese Erkrankung spezialisiert ist oder nicht. Entscheidend sind aber auch das Interesse und das Ziel des Betroffenen: Geht es darum, die Vergangenheit aufzuarbeiten? Oder soll in erster Linie das Problem im Hier und Jetzt angegangen werden? Soll das Gespräch mit dem Therapeuten im Zentrum der Behandlung stehen, wie zum Beispiel bei der tiefenpsychologisch orientierten Psychotherapie, oder vielmehr die aktiven Übungen im Alltag, wie bei der Verhaltenstherapie?
Die Psychotherapie arbeitet mit fünf unterschiedlichen Formen. Unter den Links findet ihr weitere Informationen:
- Verhaltenstherapie,
- Psychoanalyse,
- tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie,
- Gesprächspsychotherapie (oder klientenzentrierte Psychotherapie),
- systemische Therapie.
Obwohl die Wirkungsweisen aller fünf Verfahren wissenschaftlich belegt und anerkannt sind, bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen derzeit nur die ersten drei genannten Therapieformen.
Meine erste Therapie war die Verhaltenstherapie, da die eigentlichen Panikattacken stark im Vordergrund standen. Ich lernte Entspannungsverfahren und Tricks (wie den sicheren Ort oder Atemtechniken), um mich vor Panikattacken zu schützen oder sie besser bewältigen zu können. Die Verhaltenstherapie war für mich ein guter Anfang. Allerdings verpufften ihre Effekte bei mir rasch und ich verfiel immer wieder in dieselben schädlichen Muster, die meine Angststörung befeuerten. Also musste ich diesen Mustern auf den Grund gehen und begann 2015 eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Mit Erfolg, der hoffentlich lange andauernd wird. Die Verhaltenstherapie war für mich der Rettungsring in stürmischer See. Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie das Rettungsboot, dass mich in seichtes Wasser und die Nähe des rettenden Ufers brachte. Den Rest musste und werde ich alleine schaffen.
Wie finde ich einen Therapieplatz?
Einen Psychotherapieplatz zu finden, ist meist mit langen Wartezeiten verbunden. Nicht selten bis zu sechs Monaten. Das ist eigentlich ein starkes Stück und ich könnte mich über diese Tatsache immer wieder aufregen. Aber das hilft natürlich nicht. Wie ist also die gesetzliche Lage?
Seit April 2017 müssen jeder Arzt, der psychotherapeutische Behandlungen als Kassenleistung abrechnen darf und Psychotherapeuten gesetzlich Krankenversicherten Sprechstunden anbieten. Diese Sprechstunden dienen der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Therapeut klärt in einem Erstgespräch, ob ein Verdacht auf eine psychische Erkrankung vorliegt und der Patient eine Psychotherapie benötigt oder ob andere Unterstützungs- und Beratungsangebote helfen könnten. Auch eine erste therapeutische Intervention ist möglich - und das ist meist das Entscheidende.
Seit April 2018 ist das Erstgespräch für Patienten sogar Pflicht. Erst wenn ein Patient eine Sprechstunde aufgesucht hat, kann er oder sie mit probatorischen Sitzungen oder einer Akutbehandlung beginnen. Für das Erstgespräch sind mindestens 50 Minuten vorgeschrieben. Ausnahmen gelten für Betroffene, die aufgrund einer psychischen Erkrankung bereits in stationärer Krankenhausbehandlung oder rehabilitativer Behandlung waren. Sie können sofort mit probatorischen Sitzungen oder einer Akutbehandlung beginnen.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen bieten regionale Terminservicestellen an, die euch bei der Suche nach einem Therapieplatz helfen können. Mehr dazu erfahrt ihr hier: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/?id=368
Ich habe mit der Terminservicestelle keine Erfahrung gemacht und habe mir meine Therapeuten und Therapeutinnen aus dem Telefonbuch/Internet gesucht. Ein Kriterium war für mich auch die Lage der Praxis: Möglichst in der Nähe der Wohnung oder des Arbeitsplatzes oder auf dem Weg zwischen beidem.
Was aber in der Wartezeit auf einen Therapieplatz tun? Vielleicht habt ihr eine gute Hausärztin oder einen guten Hausarzt, die zunächst helfen können. Mein Hausarzt hat mir damals sehr geholfen, bis ich endlich die Therapie beginnen konnte. Er war wenigstens für mich da und hat zugehört. Vielleicht helfen euch auch Seiten wie diese oder Foren, in denen ihr euch austauschen könnt. Vielleicht kann euch aber auch eurer nahes Umfeld zunächst unterstützen.
Und wenn die Krise sehr groß wird, gibt es immer noch den psychiatrischen Notdienst oder die Rettungsstelle eines Krankenhauses, das eine psychiatrische/psychosomatische Abteilung hat. Oft hilft schon ein erstes entlastendes Gespräch mit einem Arzt dort. So hart die Wartezeit auf einen Therapieplatz auch ist, ihr seid in der Regel nicht allein.
Was macht eine gute Therapeutin oder einen guten Therapeuten aus?
Ein ganz wichtiges Kriterium für die Wahl eines Therapieplatzes ist aber die Beziehung zum Therapeuten oder der Therapeutin.
Er oder sie kann ein ausgewiesener Experte auf seinem Gebiet sein und seine Praxis direkt um die Ecke sein. Wenn die Chemie nicht stimmt, ist das für eine erfolgreiche Therapie nicht förderlich. Dabei geht es nicht um ein inniges Verhältnis zum Therapeuten. Das wäre genauso kontraproduktiv. Dennoch sollte es ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Patient geben, damit die Therapie erfolgreich verläuft.
Versucht für euch in probatorischen Sitzungen herauszufinden, ob ihr dem Therapeut oder der Therapeutin eure Sorgen und intimsten Ängste anvertrauen könnt. Manchmal ist es auch entscheidend, ob ihr lieber von einem Therapeut oder einer Therapeutin behandelt werden wollt. Und hört vielleicht auch einfach auf euer Bauchgefühl.
Mein erster Therapeut war ein sehr sympathischer und ruhiger Mann. Ich fasste sofort Vertrauen zu ihm. Aber im Laufe der Sitzungen erzählte er immer mehr von seiner Kindheit und seinen Konflikten mit seiner Mutter, als dass er sich mit meinen Sorgen befasste. So sollte einen Therapie nicht laufen.
Und auch Vorwürfe gehören nicht in eine Therapie. In einer Phase, in der es mir sehr schlecht ging und ich natürlich in jeder Sitzung darüber berichtete, fragte mich meine Therapeutin, ob ich das mit Absicht machen würde. Ich war verdutzt und fragte, was sie damit meinte. Sie war der Ansicht, ich wolle sie bestrafen, indem ich nur davon berichtete, wie schlecht es mir ging.
Mein erster Instinkt war Flucht, doch ich habe das Thema mit ihr "ausgefochten". In der Regel finde ich aber solche Vermutungen des Therapeuten - und gerade, wenn er oder sie sie äußern - völlig daneben. Natürlich hatte es für mich einen therapeutischen Zweck, den man allerdings auch anders hätte erzielen können. Solche persönlichen Ebenen gehören nicht in die Therapie - oder wenn sie eine Rolle spielen, sollten Patient und Therapeut überlegen, ob sie noch zusammen arbeiten können. Denn eigentlich ist es genau der Job des Therapeuten: Der Betroffene darf 50 Minuten jammern, schimpfen und allen Ballast los werden - der Therapeut hört zu, hilft und bekommt dafür Geld. Eine ganz klare Rollenverteilung.
Ein Punkt ist mir noch ganz wichtig: Therapie ist harte Arbeit. Und in mancher Stunde kam ich ganz klar an die Grenzen meiner seelischen Belastbarkeit. Ein guter Therapeut achtet darauf, dass er euch nicht am Ende der Stunde an dieser Grenze einfach stehen lässt, weil die Zeit um ist. Er oder sie sollten immer versuchen, dass ihr die Stunde einigermaßen stabil verlasst. War das nicht der Fall, hat meine Therapeutin mir beispielsweise angeboten, dass ich ihr im Zweifel auch immer eine Mail schicken oder eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen könne. Sobald sie Zeit hätte, würde sie sich dann melden. Ich habe dieses Angebot - glücklicher Weise - nie annehmen müssen. Ich hatte aber immer die Gewissheit, bei Bedarf Hilfe zu bekommen.