Die meisten von uns kennen die ängstliche Aufregung oder Unruhe vor einer Prüfung oder einem wichtigen Gespräch. Das ist völlig menschlich. Wachsen diese Ängste jedoch zu einem dauernden und belastenden Problem aus, so dass man alle Menschen und Situationen als Bedrohung empfindet und meiden möchte, ist die Grenze zur sozialen Phobie überschritten.
Bereits vor 2.000 Jahren wurde schon die Angst vor anderen Menschen beschrieben. Jedoch scheint die soziale Phobie (früher auch als krankhafte Schüchternheit bezeichnet) in den letzten Jahren zuzunehmen.
Bei einer sozialen Phobie fällt es den Betroffenen schwer, sich in Situationen zu begeben, in denen sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen und von anderen Menschen nicht nur beobachtet, sondern auch kritisch beurteilt werden könnten. Sie haben Angst davor, ein Verhalten zu zeigen, dass bei anderen eine negative, demütigende oder peinliche Reaktion hervorrufen könnte. Das macht gerade alltägliche Handlungen für die Betroffenen zu einer schier unüberwindbaren Herausforderung: In Gegenwart anderer das Wort ergreifen, gemeinsam mit anderen zu essen, zu trinken, zu plaudern oder etwas aufschreiben zu müssen. Dabei ist die Angst in Gegenwart fremder Menschen ausgeprägter als in Gegenwart von Bekannten. Kleine Menschenmengen wirken bedrohlicher als große. Auch, wenn die Betroffenen diese Angst als sinnlos und übertrieben erkennen, leiden sie unter zermürbenden Grübeleien und negativen Gedanken sowie einem schmerzlichen Minderwertigkeitsgefühl.
Die soziale Phobie kann in besonderes schlimmen Fällen zu Vermeidungsverhalten und zur vollständigen sozialen Isolation führen. Sie wird auch als "stille Not" bezeichnet, da die Betroffenen großes Leid erfahren - oft unbeachtet. Zu der Beeinträchtigung von Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit, vor allem Kreativität, Vitalität und Aktivität, gesellen sich weitere psychische Störungen: Weitere Angstformen wie Agoraphobie und Panikattacken, aber auch depressive Zustände oder Suchterkrankungen durch verzweifelte Selbstheilungsversuche.
Nicht wenige Sozialphobiker haben eine von sich aus ängstlichere Persönlichkeitsstruktur. Die Krankheit wird ausgelöst durch entsprechende Umweltbelastungen wie Kränkungen, Frustration oder Demütigungen. Oft beginnt die soziale Phobie bereits im Jugendalter (Männer und Frauen sind etwa gleich betroffen). Jedoch dauert es aufgrund des schüchternen Verhaltens der Betroffenen nicht selten Jahrzehnte bis ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht wird. Auch verhält sich nur ein geringer Teil der Betroffenen "auffällig". Meist wirken Sozialphobiker distanziert, abweisend oder sogar besonders stark, ruhig und kompetent. Sie sind Meister darin Ausreden zu finden, warum sie sich nicht "unters Volk mischen" wollen. Die Wirklichkeit dahinter sieht anders aus.