Eine Angststörung setzt sich meist aus mehreren Teilen - wie ein Puzzle - zusammen: Wurden wir vielleicht schon ängstlich geboren? Wie wurden wir erzogen? Haben wir durch besondere Lebenserfahrung und -ereignisse die Angst erst erlernt? In welchem Umfeld leben wir jetzt? Wie viel Stress haben wir? Erst das Zusammenwirken mehrerer dieser Aspekte verursacht die Angststörung.
Bevor wir uns diese Fragen einzeln ansehen, ist es wichtig zu wissen, dass eine Angststörung auch ein Begleitsymptom einer körperlichen oder anderen psychischen Erkrankung sein kann. Wichtig ist, dass der Arzt oder die Ärztin sauber diagnostiziert, was aufgrund der vielfältigen Symptome einer Angsterkrankung durchaus schwierig ist und dauern kann.
Mögliche körperlichen Ursachen, die zu einer Angststörung führen können, sind:
Neben körperlichen und seelischen Ursachen, gibt es die sogenannten primären Angststörungen - also Angststörungen, die ohne körperliche oder anderweitige psychische Erkrankung auftreten. Sie kommen zahlenmäßig wahrscheinlich am häufigsten vor. Früher wurde die Angststörung als Angstneurose oder Phobie bezeichnet. Heute unterteilt die Medizin nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (kurz ICD) die Angststörung in generalisierte Angststörung, Panikstörungen und Phobien (Agoraphobie, soziale Phobie, spezifische Phobie).
Es gibt unterschiedliche Erklärungsmodelle, wie solche Angststörungen zustande kommen. Wie bereits erwähnt, gibt es nicht die eine Ursache, sondern meist liegt einer Angst- oder Panikstörung ein Mix der folgenden Faktoren zugrunde:
Grundsätzlich haben wir von Geburt an eine Art Schreckreflex, wenn es zum Beispiel laut knallt oder blitzt. Ängstlich geboren werden wir jedoch nicht. Dennoch unterscheiden sich Menschen in der Stärke ihrer Angstreaktion oder Angstsensibilität: Bei einer tatsächlichen oder vorgestellten Bedrohung schüttet unser Körper Hormone aus. Das geschieht bei jedem Menschen unterschiedlich stark. Menschen, die stärker ängstlich reagieren, nehmen körperliche Empfindungen besser, schneller und negativer wahr. Sie lernen schneller, die Bedrohung mit anderen Dingen zu verknüpfen und entwickeln schneller automatisierte Verhaltensweisen. Doch diese Neigung führt nicht automatisch zu einer Angststörung.
Auch wurde in Studien bei Angstpatienten eine höhere Empfindlichkeit des vegetativen Nervensystems nachgewiesen.
Natürlich prägt uns die Art und Weise, wie wir erzogen wurden. Kinder übernehmen zu Beginn ihrer Entwicklung vielfach das Verhalten ihrer Eltern. So auch deren Reaktionen bei Angst. Welchen Umgang mit Angst haben wir zum Beispiel bei unseren Eltern erlebt? Sowohl Überängstlichkeit als auch Angstunterdrückung können sich negativ auswirken.
Aus Sicht der Verhaltenstherapie ist eine Angststörung auf erlerntes Verhalten zurückzuführen. Nicht jede Angst muss dabei aus der Kindheit stammen. Das Erlernen der Angst erfolgt unbewusst.
Auslösende Momente können belastende Lebensereignisse sein, die mit einer erhöhten Erregbarkeit des Nervensystems einhergehen können (zum Beispiel der Tod eines geliebten Menschen oder Demütigungen).
Bei manchen Phobien (Flugangst) spielen auch Erzählungen aus dem Umfeld oder Medienberichte eine Rolle. Auch intensives Vorstellen von Gefahren können eine Angststörung in Gang setzen, ebenso wie das Gefühl der Ausweglosigkeit. Dieses Gefühl löst generell Angst aus. Ist aber die Angstbereitschaft entsprechend hoch, kann selbst eine harmlose Situation zum Ursprung einer Angststörung werden.
Ein psycho-physiologisches Modell versucht, körperliche Prozesse und deren gedankliche und emotionale Verarbeitung zu beschreiben. Demnach stehen zu Beginn der Entwicklung einer Angststörung
körperliche Vorgänge und Reaktionen, die unspezifisch sind und durch Überanstrengung oder Stress ausgelöst werden. Zu diesen körperlichen Erscheinungen können Muskelverspannungen, Schwitzen,
Herzklopfen, Schwindel oder Nervosität gehören. An sich harmlos, werden sie durch gedanklich-emotionale Prozesse als Gefahr fehlinterpretiert. Sie werden ängstlich beobachtet und verstärken sich
dadurch subjektiv.
Was uns bedrohlich erscheint und was nicht, hängt auch davon ab, wie wir die Welt sehen. Und als soziales Wesen wird unsere Weltsicht auch von der Weltsicht der Gesellschaft oder dem Umfeld beeinflusst, in der oder in dem wir leben. Was gilt zum Beispiel als erlaubt und was nicht? Wie sehr müssen wir um gesellschaftliche Anerkennung kämpfen? Welchem Leistungsdruck sind wir in unserem Job ausgeliefert? Gibt es einen Konflikt zwischen dem Bestreben nach Selbständigkeit und Selbstverwirklichung einerseits, und dem Geborgensein in einer Beziehung andererseits? Ein tiefenpsychologisches Erklärungsmodell nimmt zum Beispiel an, das Angststörungen häufig durch Partnerschaftskonflikte ausgelöst werden. Die Angststörung ist dann der Kompromiss.
Oder wie sehr leiden wir unter (gesellschaftlichen) Veränderungen? Schaffen wir es gleichzeitig, Altes zu bewahren und Neues zu entdecken und auszuprobieren?
Dass Stress, insbesondere länger andauernder Stress, Krankheiten jeglicher Art fördert, ist mittlerweile ein Fakt.
Bei Angst kann der Stress aber nicht nur Folge, sondern auch Auslöser sein. Jede Form von Angst, ob krankhaft oder nicht, löst im Körper eine Stressreaktion aus, wie unter Anatomie der Angst beschrieben. Es funktioniert allerdings auch andersherum: Lang anhaltender Stress kann Angststörungen verursachen.
Die Stressforschung weiß mittlerweile, dass Stress nichts ist, was nur von Außen auf uns einprasselt. Vielmehr entscheidend ist, wie wir mit Stress innerlich umgehen bzw. was wir als "Stress" bewerten. Und das ist bei jedem Menschen unterschiedlich und kann sich verändern. Und das ist auch das Gute: Wir können einen gewissen Einfluss auf unser Stresserleben nehmen! Beispielsweise durch mehr Achtsamkeit, Entspannung und durch eine veränderte Bewertung von Situationen, die uns Stress bereiten.
An dieser Stelle ist mir ein Punkt aus meiner persönlichen Erfahrung sehr wichtig: Einen beispielsweise dauerhaft stressend Job mit anstrengenden Kolleginnen und Kollegen, einem überkritischen Chef oder Chefin und Arbeitsmengen bis zur körperlichen Erschöpfung, kann auch ein Achtsamkeitstrainig nicht wirklich verbessern. Manchmal liegen die Stressoren sehr wohl im Außen und unsere Bemühungen, diese Stressoren anders zu bewerten (oder gar herunterzuspielen) führen zu noch mehr Stress. Gelingt es uns nicht, fühlen wir uns im schlimmsten Fall als Versagerin oder Versager. Selbstreflektion und die eigenen Bewältigungsstrategien zu verbessern, ist wichtig und kann sehr hilfreich. Aber auch hier können - und dürfen - wir an Grenzen stoßen. Dann wird es allerdings Zeit zu handeln und das fällt uns oft schwer. Als wir dieses Thema in der Therapie diskutierten, stellte meine Therapeutin ganz nüchtern fest: "Nehmen wir beispielsweise an, es herrsche Krieg. Daran würden Sie vermutlich keine Schuld tragen. Aber wegatmen hilft Ihnen in dem Fall auch nicht." Oder wie Eckhardt von Hirschhausen es formulierte: "Es ist nicht die Schuld des Pinguins, wenn er sich in der Wüste nicht zurecht findet."