Ein sehr erfahrener Psychiater, Prof. Dr. Volker Faust, hat in einem seiner Bücher geschrieben, Angststörungen löse man am besten durch "reden-rede-reden" und "gehen-gehen-gehen". Das heißt, neben der Gesprächstherapie - oder auch Gesprächen mit lieben Menschen - vor allem Bewegung in den Alltag einzubauen.
30 Minuten kräftig an der frischen Luft spazieren gehen hilft schon, die Angst quasi auszuleiten. Das kann ich nur bestätigen: Auch heute noch versuche ich immer dann, wenn ich spüre, dass meine innere Anspannung steigt, mich zu bewegen, um diese Anspannung schneller los zu werden. Im Zweifel hüpfe ich - bei geschlossener Bürotür - einige Minuten auf der Stelle...
Was ist also das Geheimnis der Bewegung? Über Bewegung baut der Körper Stresshormone wie Adrenalin schneller ab und der Serotoninspiegel steigt. Weitere positive Effekte sind, dass die Muskulatur besser durchblutet wird, die Gelenke mit nötigen Nährstoffen versorgt werden, sich Verspannung lösen und der Kopf frei wird.
Schon von seiner Anlage ist der Mensch ein "Bewegungstier". Nicht genug, dass unsere Wirbelsäule eigentlich nicht für den aufrechten Gang konzipiert ist und auch Jahrhunderte der Evolution keine wirkliche Optimierung gebracht haben, sitzen wir zudem oft den ganzen Tag am Schreibtisch und abends auf dem Sofa vor dem Fernsehen. Ebenso ist übermäßiges und dauerhaftes Heben von Lasten oder langes Stehen nicht das, wofür wir Menschen geschaffen sind. Wir brauchen die Abwechslung zwischen Anspannung (also Bewegung) und Entspannung. Unser natürlicher Bewegungsdrang wird aber spätestens in der Schule radikal unterbunden.
Um ein mögliches Bewegungsdefizit auszugleichen, muss und soll sich niemand verausgaben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt mindestens 150 Minuten oder 5 x 30 Minuten Bewegung pro Woche. Ein kräftiger Spaziergang reicht schon völlig aus. Es muss nicht gleich ein Marathon werden. Auch beim Sport gilt die Weisheit, dass die Dosis das Gift macht. Wer sich lange nicht bewegt hat, sollte vorsichtig und in kleinen Schritten anfangen. Besonders empfohlen werden Walken oder Nordic Walking, Radfahren und Schwimmen.
Ich finde aber auch Mannschaftssportarten - vor allem mit Ball - großartig und sogar hilfreich. Zum einen mag ich die Interaktion im Team und zum anderen kann ich meinem kindlichen Spieltrieb Raum geben. Meistens bieten sich hierfür Freizeitmannschaften an, bei denen der Leistungsdruck nicht so hoch ist.
Aber auch bei der Bewegung ist es wichtig, dass ihr das findet, was euch Spaß macht und euch keinen Stress verursacht. Denn: Es ist gar nicht so wichtig, was ihr macht, sondern dass es regelmäßig geschieht. Und sei es, dass ihr alleine für euch durch die Wohnung tanzt.
Und an dieser Stelle darf meiner Meinung nach auch das Singen nicht fehlen!
Jeder, der schon mal in einem Chor gesungen hat weiß, das Singen durchaus körperliche Effekte hat, die denen eines kräftigen Spaziergangs oder Dauerlaufs in nichts nachstehen. Regelmäßiges, intensives Singen erhöht die Herz-Kreislauf-Fitness.
Die Forschung hat die Gemütsaufhellende Wirkung des Singens in mehreren Untersuchungen nachgewiesen. Schon nach
30 Minuten Singen produziert unser Gehirn erhöhte Anteile von Beta-Endorphinen, Serotonin und Noradrenalin. Diese Glückshormone steigern unsere gute Laune und senken gleichzeitig das Angst- und Schmerzerleben.
Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin werden abgebaut und wir können innerlich zur Ruhe kommen. Singen vertieft die Atmung, wodurch unser Körper und das Gehirn besser mit Sauerstoff versorgt werden. Die natürliche Zwerchfellatmung, die beim Singen aktiviert wird, fördert die Entspannung. Außerdem stärkt Singen unser Immunsystem.
"Singen kann jeder!", hat mein ehemaliger Chorleiter immer gesagt. Nicht jeder muss ein Gesangsstar werden. In erster Linie geht es darum, sich selbst etwas Gutes zu tun und um den Spaß in der Gemeinschaft.
Ich habe das Singen nach meinem ersten Erschöpfungssyndrom wieder entdeckt. Mein Arzt fragte mich damals, was mir jetzt Spaß machen würde. Und ohne lange zu überlegen antwortete ich: "Singen!". Als Kind und Jugendliche hatte ich mit großer Begeisterung in verschiedenen Chören gesungen. Warum nicht an diese gute Erfahrung anknüpfen?
Also suchte ich mir einen Chor, der zwar schon einen gewissen Anspruch hatte, aber auch eher die Gemeinschaft und das gemeinsame Singen pflegte. Das Singen half mir, seelisch und körperlich zu entspannen. Und meine Stimmung hellte sich mehr und mehr auf.