Autogenes Training (AT)

Das Autogene Training (AT) ist ein weiteres, sehr häufig angewandtes Entspannungsverfahren. Es ist im Vergleich zur Progressiven Muskelentspannung (PMR) etwas schwerer zu erlernen, da der entspannte Zustand nicht wie bei der PMR über das willkürliche Anspannen der Muskeln indirekt erreicht wird, sondern rein über gedankliche Konzentration. Das erfordert etwas Übung. Das autogene Training ist eine Art Selbsthypnose, in der körperliche, vegetative Funktionen (wie Durchblutung, Atmung, Pulsschlag) in einen Ruhezustand versetzt werden sollen. 

 

Der Mediziner Johannes H. Schultz (1884-1970), der unter anderem als Nervenarzt in einer Berliner Klinik arbeitete, entwickelte in den 1920er Jahren das Autogene Training. Er hatte sich lange mit Hypnose beschäftigt und kannte die Wirkung von Suggestionen. Schultz hatte mit der Hypnose vor allem bei solchen Patienten gute Heilerfolge, die unter - wie wir sie heute bezeichnen - psychosomatischen Krankheiten litten. Damit die Patienten nicht dauerhaft auf einen Therapeuten angewiesen sein würden und auch keine Rückfälle erlitten, sobald die regelmäßigen Therapiesitzungen beendet waren, wollte Schultz ihnen etwas mit nach Hause geben. Auch ohne Anleitung von Außen sollten sie sich über Selbstbeeinflussung in den Zustand der Entspannung versetzen und so ihre Selbstheilungskräfte aktivieren können. Schultz griff wesentliche Teile aus der Selbsthypnose und aus dem indischen Raja-Yoga (hier soll über geistige Übungen die vollständige Kontrolle über den Geist erreicht werden) heraus und fügte sie zu etwas Neuem zusammen: Das Ergebnis nannte er Autogenes Training. 1932 erschien die 1. Auflage seines Buches "Autogenes Training".

 

Schultz lag viel daran, den Patienten vom Empfänger medizinischer Therapie hin zum eigenständig übenden Menschen zu wandeln, der so zu seiner eigenen Heilung beitragen kann. Mit den Erfolgen des Autogenen Trainings wurde deutlich, dass nicht nur der Arzt Heilung bringt. Auch im wissenschaftlichen Rahmen wurde erstmals das Augenmerk auf den aktiven Beitrag des Patienten an seiner Gesundung gerichtet. Wir haben es also durchaus in der Hand, unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit positiv zu beeinflussen. 

 

Wie läuft das Autogene Training ab?

Das Autogene Training besteht aus sechs verschiedenen Grundübungen:

  1. Schwere,
  2. Wärme,
  3. Atem,
  4. Herz,
  5. Bauch (oder Sonnengeflecht) und
  6. Kopf.

Diese werden mit einer kurzen Formel (zum Beispiel: "Mein rechter Arm ist angenehm schwer" oder "Rechter Arm angenehm schwer"), die fünf bis sechs Mal wiederholt wird, eingeübt.

 

Jede dieser Übungen endet mit einer Ruheformel, zum Beispiel "Ich bin ganz ruhig". Die Formeln sollen, nach vielleicht anfänglicher Anleitung von Außen, nur gedacht und nicht gesprochen werden. Sie dienen der positiven Selbstbeeinflussung und sollten deshalb auch immer den gleichen Wortlaut haben.

 

Am Anfang ist es hilfreich, zunächst jede Übung für sich auszuprobieren und einzustudieren. Versucht die Empfindungen wie Wärme oder Schwere, so gut es geht, nachzuempfinden. Ruft euch bei Wärme beispielsweise das Gefühl der wärmenden Sonne auf eurer Haut in Erinnerung.

Übrigens: Sollte jemand keine Wärme mögen, weil es vielleicht gerade Sommer ist und sehr heiß, funktioniert diese Übung durchaus auch mit Kühle. Und auch "Schwere" kann durch "Leicht" ersetze werden. Entscheidend ist, dass ihr mit den Übungen positive Gefühle verbinden könnt und diese auch wirklich spürt. Lasst euch auch nicht irritieren, wenn manche Übungen besser gelingen als andere. Das ist normal und schmälert das Gesamtergebnis überhaupt nicht. Macht einfach jede Übung so gut es euch möglich ist.

 

Die Übungen können übrigens durch eine Verbindung zur Atmung noch intensiver werden: Denkt ihr zum Beispiel "Rechter Arm", atmet ihr ein. Denkt ihr dann "angenehm schwer" atmet ihr lange und tief aus. 

 

Zum Schluss der oben genannten sechs Übungen könnt ihr euren eigenen Vorsatz oder eine Ruheformel einbauen. Diese soll positiv und kurz formuliert sein. Bei Angststörungen empfehlen sich beruhigende, Sicherheit und Gelassenheit gebende Formeln, wie zum Beispiel:

  • "Ich bin ausgeglichen und ruhig",
  • "Ich bin geborgen",
  • "Ruhe, Sicherheit, Gelassenheit",
  • "Ich schaffe es".

Wenn ihr anschließend mit dem kompletten Übungsdurchgang fertig seid, folgt die Rücknahme aus dem entspannten Zustand, damit ihr wieder frisch und munter im Hier und Jetzt ankommt. Die einfachste Formel hierzu ist:

  •  "Arme fest" - ihr spannt die Arme fest an oder reckt und streckt sie und ballt die Fäuste (natürlich könnt ihr auch die Beine dazu nehmen),
  • "Atem tief" - ihr atmet tief durch und könnt euch räkeln und recken,
  • "Augen auf" - ihr öffnet die Augen und seid wieder im Hier und Jetzt.

Bei der erweiterten Rücknahme zählt ihr rückwärts von 1 bis 6, um bei 1 wieder munter im Hier und Jetzt zu sein:

  • sechs - Beine leicht
  • fünf - Arme leicht
  • vier - Atmung normal
  • drei - Herz normal
  • zwei - Kopf ist wach
  • eins - Arme fest! Tief einatmen! Augen auf!

Wie bei anderen Entspannungsverfahren auch, macht die regelmäßige Übung den Meister. Eine Faustregel - gerade für den Anfang - sind zwei- bis dreimal täglich für jeweils drei Minuten. 

 

Wichtig ist auch hier, dass ihr überhaupt beginnt und regelmäßig übt - auch, wenn ihr vielleicht nur einmal am Tag dazu kommt! 

 

Die beste Zeit für die Übungen ist, wenn ihr ausgeruht seid

(um nicht einzuschlafen). Besonders angenehm ist es auch, zum Beispiel nach einer Bewegungseinheit (Sport, Spaziergang) das Autogene Training zu praktizieren.

 

Ihr könnt in der Droschenkutscherhaltung (siehe Illustration), in einer anderen entspannten Sitzhaltung oder liegend üben. 

 

Wenn ihr ein gewisses Übungslevel erreicht habt, werdet ihr in der Lage sein, euch mit wenigen Atemzügen in einen entspannten Zustand zu versetzen. 

Die Droschkenkutscherhaltung


In Kürze werde ich euch eine Audiodatei als Demonstration hier einstellen. Bis dahin findet ihr eine Anleitung auch als Download:

Download
Autogenes Training.pdf
Adobe Acrobat Dokument 61.8 KB
Literaturtipp:

An dieser Stelle kann ich euch ein Buch zum Autogenen Training empfehlen, dass ich mir selbst nach meiner eigenen Trainerausbildung "Autogenes Training" gekauft habe. Der Titel wirkt womöglich etwas abschreckend, dafür ist der Inhalt umso besser:

 

"So leicht geht Autogenes Training für Dummies" von Dr. Catharina Adolphsen.

 

In dem Buch werden Schritt für Schritt die Übungen erklärt und beschrieben, ebenso die Hintergründe und Zusammenhänge. Zudem gibt es eine Übungs-CD. Die Autorin ist Fachärztin für Innere Medizin und Notfallmedizin sowie Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychoanalyse. Sie unterrichtet als Dozentin der Deutschen Gesellschaft für Ärztliche Hypnose und Autogenes Training seit langem Autogenes Training.